Bureau Johannes Erler – über Magie

über Magie

Bei den von ErlerSkibbeTönsmann veranstalteten, monatlichen Creative Mornings hatten wir zuletzt die Violinistin Ksenia Dubrowskaya zu Gast. Das Thema war »Magie«. Fast eine Stunde lang sprach ich mit Ksenia über magische Momente und was einen Konzertabend unvergesslich macht.
Die monatliche Kolumne in der PAGE war dann wieder eine Reflexion zum Thema. Mit der schönen Erkenntnis, dass Magie keineswegs Zauberei ist und dass wir alle Magier sein könnten – wenn wir bereit sind, sehr viel dafür zu tun.

Autor

Johannes Erler

Kategorie

Allgemein, Kolumne

Datum

05.11.2016

Mysterium Magie. Unlösbares Rätsel. Gerade erst wieder: da blättere ich das Buch »Über Schreibtische« des Fotografen Konrad Rufus Müller, als plötzlich dieses Kribbeln in mir hochsteigt, das immer dann kommt, wenn mich etwas so richtig anfixt. Und das geht weit über das hinaus, was beschreibbar wäre (die tollen Fotos, die perfekte Typografie von Markus Rasp, das schöne Papier…). Das ist dann wohl: Magie?

Magische Momente. Momente übernatürlicher Erhabenheit. Oft nur persönlich erlebbar und nicht mit anderen zu teilen. Zum Beispiel diese Stelle im Lied »Life Of Surprises« meiner Lieblingsband Prefab Sprout. Bei 0:57 hebt das Lied auf so wundersame Weise ab, dass mir immer wieder das Herz zerspringt. Habe ich neulich mal im Büro vorgespielt – und selten in ratlosere Gesichter geblickt. Aber für mich bleibt es: Magie.

Wie großartig wäre es, zu wissen, wie das geht: Menschen verzaubern, zuverlässig und immer wieder. Man müsste die magische Substanz besitzen, die alles möglich macht. So wie Adriano Celentano in der Italoklamotte »Hände wie Samt«. Celentano hat in diesem Film magisches, unzerstörbares Glas erfunden und alle wollen natürlich rausfinden, wie er das schafft, alle Regeln der Chemie und der Physik auszuhebeln – bis er in einem unbeobachteten Moment den Kessel mit dem flüssigen Glas öffnet, und einmal kräftig reinrotzt.

Mit 17, auf einer Klassenreise nach Wien, saß ich eines Abends im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, übernächtigt und gelangweilt (wie das eben so ist auf Klassenfahrten mit Kulturprogramm), als ein bildhübsches Wesen in einem feuerroten Kleid auf die Bühne schwebte und das Violinkonzert von Tschaikowsky nicht einfach nur spielte, sondern zelebrierte, himmelhochjauchzend, zum Tode betrübt, bis mir ganz schwindelig war. Dieser magische Augenblick kam mir in den Sinn, als ich auf der Suche nach den Regeln der Magie die russische Violinistin Ksenia Dubrowskaya zu den creative mornings einlud.

Es wurde ein zauberhaftes Gespräch. Zusammen ergründeten wir die Zutaten eines magischen Konzerts und sprachen über Liebe und Fleiß, Fantasie und Aura, Handwerk und Stimmung. Wir stellten einen Konzertabend auf den Kopf und drehten das Innerste nach Außen. Nur den magischen Schlüssel, den fanden wir leider nicht.

»Eigentlich ist Musik ja nur ein akustisches Phänomen und physikalisch zu erklären«, sagt Ksenia Dubrowskaya, »und aus den Schallwellen steigt dann – manchmal nur – etwas unerklärlich Tiefes und Seelisches auf.«

Ob Ihr das auch schon passiert sei, möchte ich wissen. Ja, natürlich, sagt sie, es sei nur eben nicht zu steuern, es passiere einfach. So sei das eben mit der Magie.

Das Rätsel bleibt. Nur Celentano weiß, wie’s geht.

PS: Ich habe ins Lexikon geschaut: Linguistisch liegt dem Wort Magie die indogermanische Wurzel Magh zugrunde, die können, vermögen, helfen und auch Macht bedeutet. Direkt stammt das Wort vom griechischen Magoi (Μάγοι) ab, das man mit Weiser übersetzt. Ein Magier ist also jemand, der ganz viel weiß und dadurch Macht erlangt.

Als ich Anfang der 90er Jahre mit Neville Brody zusammenarbeitete, er längst Superstar, ich ein Greenhorn, da fiel mir – bei aller Ehrfurcht vor seiner unfassbaren Kreativität – vor allem auf, wie fit er in allen Computerprogrammen war. Er beherrschte seine Instrumente wie kein zweiter und war schneller, als alle anderen. Ich fand das magisch. Er hatte dadurch immer einen Vorsprung.

In dem Film »Matrix« erklärt der Agent Morpheus dem jungen Hacker Neo, wie er sich verbessern muss, um seinen Verfolgern zu entkommen. Und findet dafür einen einzigen, kurzen Satz, der so etwas wie der Leitsatz aller Magier sein könnte: »Nicht denken… wissen!«. So geht Magie!

Bureau Johannes Erler – über Magie