Bureau Johannes Erler – Hirn, Hand, Herz #11: Das neue Erscheinungsbild von Union Investment

Hirn, Hand, Herz #11: Das neue Erscheinungsbild von Union Investment

In seiner Kolumne »Hirn / Hand / Herz« für die PAGE schreibt Johannes Erler kritisch über Design. »Hirn« meint dabei die nüchterne, rationale Betrachtung. »Hand« untersucht die handwerkliche Qualität. »Herz« steht für den emotionalen, persönlichen Eindruck.

Autor

Johannes Erler

Kategorie

Kolumne

Datum

26.10.2020

In dieser Folge meiner Designkolumne für die Zeitschrift PAGE geht es eigentlich gar nicht um Design. Vielmehr geht es um die zunehmende Unsitte von Designbüros und Werbeagenturen, Ihre Arbeiten quasi virtuell zu präsentieren – und nicht im Kontext ihrer realen Umgebungen.

Dies ist keine Designkritik. Weil es nichts zu kritisieren gibt. Es gibt auch nicht besonders viel zu loben. Es ist sozusagen nichts passiert, worüber sich gut streiten ließe. Konkret: Die Fondsgesellschaft Union Investment hat ihr Erscheinungsbild von der Peter Schmidt Group überarbeiten lassen. Und das Ergebnis ist so grundsolide ausgefallen, dass es eigentlich nicht der Rede wert wäre. Das ist nicht böse gemeint. Ich finde sogar, dass die Kollegen im Rahmen der Möglichkeiten, die solche Aufträge in der Regel bieten, einen guten Job gemacht haben. Somit wird dies keine Designkritik, sondern eher eine Designpräsentationskritik. Und das kam so.

Vor ein paar Tagen stieß ich auf den Post eines Facebook- Freundes, der die behutsame Modernisierung des Markenauftritts von Union Investment lobte und auf einen Designblog mit einer ausführlichen Besprechung verwies. Dort las ich eine ebenfalls wohlwollende Beurteilung und sah eine Reihe von Abbildungen. Und an dieser Stelle stutzte ich. Vom eigentlichen Erscheinungsbild war da nämlich nicht viel zu sehen. Vielmehr sah ich einige sauber gestaltete Bildkacheln, die die Elemente des Corporate Designs vorstellten: Logo, Farben, Schrifttype, Piktogramme, Bildsprache, das Ganze akkurat aufgereiht wie aus einem Katalog für Template-Design. Ein bisschen hiervon, ein wenig davon. Sieht gut aus. Tut niemandem weh.

Womit ich kurz zu den in dieser Kolumne üblichen Kriterien »Hirn« und »Hand« komme, sofern sie aus den Abbildungen, die uns die Agentur zeigt, herauszulesen sind: Die Idee (Hirn) hinter diesem Relaunch scheint eine sauber-gefällige, handwerkliche Überarbeitung zu sein, die vieles richtig macht, was eine Mainstreammarke heute braucht (Hand). Nicht weniger, aber bestimmt auch nicht mehr.

Was mir nun das Herz (drittes Kriterium) bricht, ist diese Präsentationsform als Aneinanderreihung von Klischees – und dass dies mittlerweile der Maßstab zu sein scheint, mit dem wir nicht nur unsere Auftraggeber zu überzeugen versuchen, sondern den längst auch wir Gestalter der Abbildung solider Anwendungen vorziehen, weil es besser aussieht. Wir flüchten uns in eine virtuelle Welt, um eine schöne Oberfläche zu suggerieren, die so gar nicht existiert, und machen sie zum Maßstab unserer Beurteilung. Wenn wir aber genau hinschauen, steckt oft gar nicht viel dahinter. Und auch in diesem Fall sehen ja das Foto und die Piktogramme aus wie Downloads aus einem Royalty-Free-Portal.

 

Ich beobachte diesen Trend schon seit längerer Zeit. Wettbewerbseinreichungen zum Beispiel fahren oft diesen Trick. Die Charts, die bei Jurysitzungen an den Wänden hängen, sind zu regelrechten Mockup- Exzessen geworden, getoppt nur noch von den sogenannten Casefilmen, die mit großem Aufwand Superlative kreieren. Wettbewerbsbeiträge hingegen, die einfach nur die schnöde Realität abbilden, fallen schnell durchs Aufmerksamkeitsraster von Jurys, weil sie nicht spektakulär genug sind.

Ich finde das eine falsche Entwicklung, denn der Kern unserer Arbeit ist Kommunikationsdesign und der Wert unseres Schaffens ist die kluge Kommunikationsidee, die mit den Mitteln von Gestaltung eine Marke besser begreifbar und begehrenswerter macht. Die schöne Oberfläche ist nur die Kirsche auf der Sahne, und eine Aneinanderreihung gefälliger Formen ergibt noch lange kein funktionierendes Kommunikationssystem. Sie bleibt beliebig und austauschbar und nimmt der Arbeit ihren Wert. Ich finde nicht, dass dies die richtige Präsentationsform ist, weil wir uns damit kleiner machen, als wir sind.

Ich bin sicher, dass die Arbeit der Peter Schmidt Group für Union Investment besser ist, als die Charts es vermuten lassen. Das überarbeitete Logo aufzurichten und die Kreisformen, die im U und im Punkt bereits angelegt sind, zu betonen, macht dieses neue Logo beispielsweise wesentlich einfacher in alle gängigen Social-Media-App-Icons integrierbar. Und das ist ein tatsächlicher Wert! Es sind diese Dinge, die mich interessieren. Die geschmackvolle Oberfläche des Mainstreams wird in Zukunft ohnehin mehr und mehr aus dem KI-Baukasten kommen. Die gute Idee jedoch bleibt – vorerst – unsere stärkste Waffe. Wir sollten viel Mühe darauf verwenden, das auch deutlich zu machen.