Bureau Johannes Erler – Benedikt über Johannes

Benedikt über Johannes

Was Benedikt Holtappels über mich zu berichten weiß
– zum Beispiel als Handballtrainer.

Autor

Johannes Erler

Kategorie

Freunde

Datum

07.11.2018

Kurzes Vorwort zur Erklärung: Das Magazin »Der Hamburger«ist eine typisch hanseatische Institution, weil keine andere Zeitschrift das schöne, das klassische und das feine Hamburg so feiert, wie dieses im Riesenformat gedruckte Hochglanzstück. Herausgegeben wird »Das größte Magazin der Stadt« (Eigenwerbung) von David Pohle, der sich damit als unabhängiger Verleger wohl einen Kindheitstraum erfüllt. David ist mindestens genau so gern Hamburger wie ich.

Eines Tages (es ist schon eine Weile her) fragte mich David, ob ich Lust hätte, in der Rubrik »Populär« aufzutauchen, in der Hamburger Hamburger vorstellen, und ob ich jemanden wüsste, der über mich schreiben könnte. Wusste ich – und fragte Benedikt Holtappels, mit dem mich eine sehr lange und lustige Geschichte verbindet.

Ich bin nämlich nur wenige Jahre älter als Bene und war trotzdem mal sein Handballtrainer. Da war ich wohl so 17 und er so 12 und so lange ist das Ganze also schon her – und hat uns trotzdem nie losgelassen (es gibt in Hamburg tatsächlich eine ganze Reihe von mittlerweile gut gealterten Herren, die mich immer noch ehrfurchtsvoll mit »Trainer!« ansprechen). Sowas verbindet, Bene erzählt es selbst in seinem Text, der gleich kommt.

Benedikt Holtappels ist später in die Werbung gegangen und wurde sehr erfolgreich. Seine Agentur GGH Mullenlowe hat viel mehr Mitarbeiter, als eines meiner Büros jemals gehabt hat. Außerdem hat er einen mächtigen Bart und fährt fette Motorräder. Man kann also sagen, dass aus dem kleinen, dürren und immer ein bisschen hektischen Kerlchen mit der Piepsstimme, dem ich leidlich versucht habe, das Handballspielen beizubringen, ein richtiger Kerl geworden ist. Und trotzdem erzählt er diese Geschichte über mich immer noch ein bisschen aus der Sicht des Schülers. Mich rührt das ehrlich. Ich bedanke mich bei Dir, Bene. Und erröte ein klein wenig. Und nun zum Text.

 

Diese Turnschuhe. Strahlendes Blau. Die coolsten, die man damals als Handballer haben konnte. Nur wenige konnten sie so tragen, dass sie wie ein sinnvolles Stück Ausstattung und nicht wie ein modisches Statement wirkten. Johannes war mit Sicherheit der Einzige in unserem Verein, der das konnte. Ich habe mich lange gefragt, warum das so war.

Vor 35 Jahren war Johannes Erler mein Handballtrainer. Heute ist er einer der profiliertesten Art-Direktoren unserer Genera­tion.

Er gründete von Hamburg aus Design-Büros, die immer wieder kreative Standards setzten. Er hat mit seinem Gespür für Gestal­tung Zeitungen und Magazine entwickelt. Hansesatische Leuchttürme wie das Thalia Theater, Wempe und Otto verdanken ihm ihr Erscheinungsbild. Er hat, als Anerkennung seiner Arbeit, unzählige Preise gewonnen. Und er hat ein Buch geschrieben.

Für mich ist Johannes immer noch mein Handballtrainer. Wir sind uns in den letzten Jahren immer wieder in Hamburg begegnet. Es gibt eine seltsame Verbindung zwischen Menschen, die gemeinsam aufgewachsen sind. Eine Nähe. Vertrauen. Johannes belastet dieses Vertrauen gern. Mit ganz direkter Meinung. Johannes nimmt sich keine Zeit für Oberflächlichkeit. Aber er nimmt sich die Zeit für die Auseinandersetzung mit Menschen. Für Diskussionen. Und er hört dabei so gut zu, dass Gespräche immer eine Herausforderung sind.

Es gibt wenige Menschen, die so ernst nehmen wollen und die so viel Meinung haben.

Ich habe einmal vor Johannes präsentiert. Es ging um eine neue Kampagne für den „Stern“. Als Art Director des „Stern“ hatte Johannes damals den Auftrag, das Erscheinungsbild des Magazins zu überarbeiten. Wir sollten, als Werbeagentur, eine neue Kampagne dazu vorstellen. Es war nicht unser bester Tag – und schon mal gar nicht unsere beste Präsentation. Man merkte schnell, dass wir nicht begeistern konnten. Und obwohl die Chefredaktion und der Verlagsleiter unsere eigent­lichen Ansprechpartner waren, hatte ich zwei Stunden lang das Gefühl, dass Johannes mich gleich auswechselt, auf die Bank setzt. So wie vor 35 Jahren. Er hat es nicht getan. Leider.

Schon während des Studiums in Kiel hat Johannes sich bei den besten Designern Deutschlands vorgestellt. Und wenn er heute davon erzählt, scheint es nie so, als hätte es ihn überrascht, dort akzeptiert worden zu sein. Lo Breier, Neville Brody und Erik Spiekermann – was sich liest wie eine Zusammenfassung der herausragenden Designer der letzten 50 Jahre, ist vielmehr die Grundlage für Johannes’ Ausbildung.

Wenn Johannes über seine Designbüros spricht, erst Factor Design und heute ErlerSkibbeTönsmann, dann zeigt sich die ganze Breite seines Charakters. Er erzählt erst einmal von den Menschen, mit denen er zusammengearbeitet hat. Über die Leidenschaft im Team. Aber auch über die Auseinandersetzungen, die entstehen, wenn mit so viel Enthusiasmus gearbeitet wird. Für Johannes kann Design kein demokratischer Vorgang sein. Für manchen seiner Kollegen war das eine Reifeprüfung. Wenn man heute ehemalige Mitarbeiter über die gemeinsame Zeit befragt, steht immer der Respekt vor dem gestalterischen Können und die Klarheit und Verlässlichkeit seiner Aussagen im Vordergrund. Und seine Energie. In Johannes brodelt eine immerwährende Unzufriedenheit. Sie treibt ihn an und lässt ihn antreiben. Sie hat ihn dazu gebracht, sich sofort nach dem Studium selbstständig zu machen. Und sie lässt ihn Abschied nehmen, wenn er nicht mehr an eine Sache glaubt.

Neulich bin ich ihm in London begegnet. Auf der Charing Cross Road gibt es fantastische Buchläden. In einem stand Johannes’ Hommage an Erik Spiekermann zentral im Fenster. Erfolgreiche Kreative haben häufig die Gabe, sich nicht allzu lang auf dem Ruhm erfolgreicher Projekte auszuruhen. Sie vergessen, überraschenderweise, eigene Erfolge schnell. Es gibt häufig nur einige wenige Arbeiten, für die das nicht gilt. Für Johannes ist „Hallo ich bin Erik“ so eine Herzensarbeit.

Er hat damit einem großen deutschen Designer ein Denkmal geschrieben. Und zwar nicht als Fan, oder als Schüler, sondern als Gleichgesinnter. Als einer der großen Art-Direktoren, die unsere Branche hat. Ich habe das Buch dort gekauft. Der höfliche englische Verkäufer kann jetzt davon berichten, dass Johannes vor seiner Karriere als Kreativer Handball­trainer war. Mit blauen Schuhen. Er konnte sie damals tragen, weil keiner infragegestellt hätte, ob Johannes einer Mode folgt. Es waren die besten Schuhe. Weniger hätte nicht gereicht.

(Foto: Robert Grischek)