Bureau Johannes Erler – Zusammenkommen!

Zusammenkommen!

Autor

Johannes Erler

Kategorie

Freunde

Datum

04.04.2017

Dies sind Corinna Sy und Stephen Burks. Und dies ist eine schöne Geschichte über Design und was passieren kann, wenn Designer zusammenarbeiten. Was viel zu selten passiert.

Die Geschichte beginnt vor ziemlich genau einem Jahr. Im März 2016 schrieb mir eine Freundin, die Hamburger Modedesignerin Bisrat Negassi, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Fotografen und Designer Björn Lux und ihrem Schwager, dem Designer Frank Wache (beide haben das Designbüro JUNO) M.Bassy, einen Verein für afrikanische und afrikanisch beeinflusste Kunst und Kultur gegründet hätte und ob ich mal vorbeikommen wolle.

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Bisrat ist in Eritrea geboren. Ihre afrikanischen Wurzeln sind in ihrer Mode spürbar und immer schon hat sie Veranstaltungen mit afrikanischen Künstlern organisiert. Jetzt also M.Bassy. Ich war gleich neugierig, weil ich diese Idee in einer Zeit, in der in Deutschland die Furcht vor allem Afrikanischen zunimmt, genau richtig fand.

Da passte es, dass ich dabei war, einen Vortragstag auf der Typo Berlin, der größten europäischen Designkonferenz zu organisieren. Ich hatte nämlich auch gerade eine Gruppe initiiert: SÜPERGRÜP ist ein Designkollektiv mit Mirko Borsche, Lars Harmsen, Sarah Illenberger, Eike König, Mario Lombardo, Erik Spiekermann und mir. Und auf der Typo wollten wir einen Vortragstag unter dem Motto »strictly no design« machen, auf dem es nicht um Grafik Design gehen sollte, sondern darum, wie das Neue in die Welt kommt. Also schrieb ich Bisrat, dass ich es toll fände, M.Bassy auf der Typo vorzustellen.

M.Bassy war gleich dabei. Wir trafen uns in den wunderschönen Räumen von M.Bassy in der Schlüterstraße in Hamburg. M.Bassy stand noch ganz am Anfang und fand die Typo eine gute Gelegenheit, einmal darüber nachzudenken, was sie in Zukunft machen wollten. SÜPERGRÜP hatte auch gerade erst angefangen. Wir waren alle sehr enthusiastisch.

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Das Programm für die Typo wuchs, als SÜPERGRÜP-Lars eines Tages von CUCULA berichtete, einer Berliner Designinitiative für Flüchtlinge, für die unser Kollege Raban Ruddigkeit gerade das sehr schöne Logo gestaltet hatte, und die dabei waren, etwas Großartiges auf die Beine zu stellen. Also luden wir auch CUCULA auf die Typo ein.

CUCULA nennt sich »A Refugees Company for Crafts and Design«. In dem beeindruckenden Vortrag, den Corinna Sy, Designerin und Mitbegründerin von CUCULA dann auf der Typo hielt, erfuhr ich, dass CUCULA aus einem Barackenlager für Flüchtlinge in Berlin hervorgegangen war, mit deren afrikanischen Bewohnern sich Corinna, die selbst afrikanische Wurzeln hat, und ein paar andere angefreundet hatten. Auf der Suche nach einer Idee, wie den Flüchtlingen zu helfen sei, entstand der Ansatz einer Holzwerkstatt, in der, zunächst für den Eigengebrauch, einfache Möbel gefertigt werden sollten. Dabei stieß man auf Entwürfe des italienischen Designers Enzo Mari aus den 70er Jahren, der einer Idee von sozialem Design folgend Stühle und andere Objekte entwickelt hatte, die jedermann aus Dachlatten und Brettern anfertigen konnte. Insbesondere der Stuhl »Sedia Uno« genießt heute Kultstatus. Und dieser Stuhl wurde dann das erste Objekt von CUCULA sein, wie die Initiative nun hieß. Das bedeutet in der westafrikanischen Hausa-Sprache „etwas verbinden, gemeinsam machen“

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In ihrem Vortrag schilderte Corinna alle anfänglichen Schwierigkeiten, aber auch wie großartig es ist, was auf diese Weise entstehen konnte. Mittlerweile arbeitet CUCULA in einer schönen Werkstatt in Kreuzberg, die zugleich Showroom ist, hat ständig acht Flüchtlinge, die in der Herstellung von Holzmöbeln ausgebildet und gleichzeitig durch die Untiefen einer korrekten deutschen Integration gelotst werden, und kann immerhin schon 40% seiner Kosten über den Verkauf der Möbel decken (der Rest sind Spenden).

Nach ihren Vorträgen lernten sich Corinna von CUCULA und Bisrat, Björn und Frank von M.Bassy kennen – und offensichtlich mochten sie sich. Denn jetzt traf ich Corinna als Vortragsgast von M.Bassy wieder.

In der Reihe »More Aphrike« (das Wort Aphrike ist übrigens griechischen Ursprung und bedeutet »ohne Kälte«), die mittlerweile von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird, stellt M.Bassy regelmäßig afroinspirierte Kunst und Kultur und deren Macher vor. Zuletzt waren das z.B. die beiden nigerianischen Filmemacher Andy Amadi Okoroafor und Andrew Dosunmu (letzerer erlebt als Regisseur des Films »Where is Kyra« mit Michelle Pfeiffer und Kiefer Sutherland, der demnächst auch in Deutschland in die Kinos kommt, gerade seinen Durchbruch).

Der dritte Abend der Aphrike-Reihe trug den Namen »Social Design zwischen den Welten«. Und für diesen Abend hatte M.Bassy eine tolle Idee: Sie brachten CUCULA und Stephen Burks, einen afroamerikanischer Produkt- und Möbeldesigner aus New York, der in den letzten Jahren mit Entwürfen für B&B Italia, Missoni oder Dedon bekannt geworden ist, zusammen. Corinna und Stephen berichteten also von dem gemeinsamen Projekt, das auf diese Weise als Workshop in Berlin entstanden war: eine wunderschönes Konzept für eine Schale in verschiedenen Formen, Größen und Farben, das wie die Möbel ebenfalls aus einfachen Holzlatten gefertigt ist. Ein perfektes Designprodukt und eine tolle Ergänzung zu den Möbeln von CUCULA.

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So kam also ganz viel zusammen: M.Bassy, CUCULA, Stephen Burks und SÜPERGRÜP. Weil sich im richtigen Moment die richtigen Leute gefunden und Lust darauf hatten, mehr zu tun, als einfach nur auf den nächsten Auftrag zu warten.

Die Kraft, die aus echter, uneigennütziger Zusammenarbeit entstehen kann, ist immens. Und oft bedarf es am Anfang nur einer guten Idee und ein bisschen von der vielen Zeit, die man viel zu häufig für weitaus schlechtere Ideen verschwendet, nur weil man dafür bezahlt wird. Aber »das Neue« hat mit Geld ja erstmal gar nichts zu tun, sondern mit Fantasie, Absicht und eben Kooperation, weil man nur sehr selten in der Lage ist, etwas Großes allein zu stemmen. Wenn alle ein bisschen geben, schafft man es. Und letztlich, da bin ich vollkommen sicher, wird Initiative immer belohnt. Nur meistens dauert es eben ein wenig, bis es sich auszahlt. Auf welche Weise auch immer.

Als ich mich nach dem gemeinsamen Essen an der großen Tafel, die stets den Abschluss eines M.Bassy-Abends bildet, von Bisrat verabschiedete, sagte sie mir, dass diese Geschichte eigentlich schon viel früher begonnen hatte. Im Sommer 1998 nämlich lernten Bisrat und ich uns zufällig auf einem Flug nach New York kennen und sind seit dem befreundet. Und im gleichen Sommer traf sie in New York eben auch Stephen Burks und Andy Amadi Okoroafor. Gut Ding braucht Weil.

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Und als ich mich von Corinna verabschiedete, fragte sie mich, ob CUCULA und SÜPERGRÜP nicht auch demnächst mal einen Workshop zusammen machen sollten. Na klar machen wir das!