Bureau Johannes Erler – Lo’s Hawara

Lo’s Hawara

Autor

Johannes Erler

Kategorie

Freunde

Datum

02.06.2016

Lo Breier ist einer der wichtigsten deutschen Art Direktoren der letzten 30 Jahre. Der Hamburger designxport hat Lo nun eine sehr charmante Ausstellung gewidmet: Lo’s Hawara. Hawara ist ein österreichischer Begriff für Kumpel. Lo ist Österreicher. Und seine Hawara der letzten 30 Jahre hat Lo in dieser Ausstellung versammelt. Auf Plakaten zeigen diese Kumpel (und natürlich auch die Kumpeline), was sie mit Lo verbindet – und wer Lo also ist. Das ist interessant, kurzweilig und ziemlich clever, weil Lo auf diese Weise nicht zeigen muss, was für tolle Sachen er gemacht hat. Das machen die anderen.

Unter anderem auch ich. Denn bei Lo habe ich meine berufliche Laufbahn gestartet, 1990, erst als Praktikant und später als freier Mitarbeiter. Ich verdanke Lo ganz viel und bin bis heute mit ihm in Kontakt.

Da ich aber nicht nur ein Bild zeigen, sondern etwas mehr über Lo und mich erzählen wollte, habe ich eine kurze Anekdote aus unserer gemeinsamen Zeit aufgeschrieben. Die Geschichte spielt in London und neben Lo sind auch noch Neville Brody, diverse Supergirls und Superboys, prügelnde Türsteher, besoffene Clubbesucher und Neneh Cherry beteiligt.

Die Geschichte ist in einem kleinen Heft abgedruckt und wer möchte, kann dieses Heft bei mir bestellen. Ansonsten steht die Geschichte jetzt hier unter dem UFA-Logo, um das es damals nämlich unter anderem auch noch ging.

Erlerskibbetönsmann, Johannes Erler, Henning Skibbe, designxport, Hamburg, Ausstellung, Lo Breier, Hawara, Babette Peters, Hafen

London 1991

Vorbemerkung:
1991 studierte ich Kommunikationsdesign und arbeitete gleichzeitig im Büro BreierTietgens. Eines Tages kam ein neuer Job rein. Es ging um das Erscheinungsbild für die UFA-Mediengruppe. Der Job war ein Gemeinschaftsauftrag für Lo und Neville Brody. Es wurde beschlossen, in beiden Büros Entwürfe zu machen und dann zusammenzulegen. Aus den Entwürfen des Hamburger Teams wurde meiner ausgewählt. Was danach geschah, steht hier.

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»Du fährst zu Neville!«, sagt Lo zu mir.
»Coooool!«, sagt Kai.
»Ach wie toll!«, sagt Ayka.
Hanno grinst und dreht Haare hinterm Ohr. Simone schreibt gleich Listen, was ich mitbringen soll. Shortbread und so. Ich sage erstmal gar nichts, finde aber alles super. Ich fahre nach London. Zum ersten Mal in meinem Leben. Mit 26. Das muss man sich mal vorstellen.

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Wenige Tage später stehe ich um 9 p.m. vor einer schweren Eisentür im East End. Ein Typ macht auf. Das Büro ist noch voll. Alle da, Neville, Fwa, auch Lo. Reden durcheinander und ich krieg nichts mit. Bin voll aufgeregt.
»Wo schläft er denn eigentlich?«, fragt Neville.
Lo zuckt mit den Schultern und macht das Lo-Gesicht. Das Lo-Gesicht ist das Gesicht, das ausdrückt:
»Ich weiß zwar noch nicht wie, aber das wird schon!«
Ich mag das Lo-Gesicht!

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Am nächsten Tag.
»Das ist gut!«, sagt Neville.
Echt jetzt? Mein Entwurf? Das ist ja alles kaum zu glauben: Eben war ich noch ein winziger Designwurm und jetzt bin ich hier bei IHM. Bei GOTT! Und ER findet MEINEN Entwurf gut! Neville zuppelt noch fix ein bisschen rum, hier paar Striche, da die Typo, rasend schnell in FreeHand und *schwups* – schon fertig.

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Und nun? Ist Donnerstag und ich fahre erst Samstag. Lo ist schon weg. Mal fragen, was die Kollegen heute Abend so machen.
»Muss zum Sport.«
»Bin eingeladen.«
»Muss nach Hause.«
Selten in meinem Leben habe ich mich so uncool gefühlt.
»Du musst ins Subterrania!«, sagt Giles noch.
»Kommst du aber nicht allein rein, brauchst du Begleitung. Musst du vorher in den Pub an der Ecke, was klar machen. Good Luck! Bye!«
Supernett hier alle.

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Um 11 p.m. hocke ich mit vier Pint intus an der Bar vom Anchor und bin zu allem bereit. Da drüben am Tisch sitzen drei Supergirls, da geh ich jetzt mal hin.
»Hallöchen, ich bin der Johannes. Nehmt ihr mich mit ins Subterrania?«
»Hihihi«, machen die Supergirls.
»Hohoho«, machen die Superboys, die neben den Supergirls sitzen.
Mist, die hatte ich gar nicht gesehen. Geht aber klar. Hihihoho. Was ich denn so mache in London?
»Ich bin Designer und arbeite bei … NEVILLE BRODY!«
»Neville who?«
Okay, funzt nicht. Egal, geht los.

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Monsterschlange vorm Club. Aber Fußball ist ja immer ein Thema. Eine Stunde später sind wir fast drin. Da stehen jetzt nur noch diese zwei Typen. Der eine ist sehr klein, sehr breit und sehr tief. Sieht aus wie ein Würfel. Der andere sieht aus wie Shaft. Würfel und Shaft gucken sehr böse. Zufällig bin ich gerade ganz vorn.
»Wie viele?«, fragt mich der Würfel.
»Sieben!«, sage ich und mache mein lustiges Gesicht.
»Zu viele!«, sagt Shaft. »Ihr kommt hier nicht rein. Next.«
»Maximal drei auf einmal. Hätten wir dir sagen sollen«, sagt ein Supergirl.
Macht nichts. Wir stellen uns noch mal an.

/
Noch eine Stunde später stehen wir wieder vor Shaft und dem Würfel. Ich tue diesmal so, als wenn ich gar nicht da bin, aber Shaft entdeckt mich.
»Hey Bubi! Nicht kapiert? Ihr! Kommt hier! Nicht! Rein! Next.«
Kacke. Und ich bin schuld. Die Supergirls und Superboys ziehen ab.
Ich glotze noch ein bisschen. Ganz schön kalt hier.

/
Moment mal! Das ist doch… NENEH CHERRY!! Dahinten am Nebeneingang
mit ein paar Leuten! Vielleicht nimmt die mich ja mit rein!
»Hi Neneh, ich bin Johannes! Kann ich mitkommen?«
»Klar! Das ist übrigens Eagle-Eye. Wie geht’s denn so?«
»Alles cool! Ich arbeite gerade bei … NEVILLE BRODY!«
»Echt? Supercool! Komm, wir trinken was und tanzen bisschen ab!«
Ein Mann tippt mir auf die Schulter.
»Alles klar bei dir?«
Mist, ich habe Selbstgespräche geführt. Passiert immer, wenn ich aufgeregt bin. Neneh ist verschwunden.

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Da kommt ein Typ auf einem Fahrrad in Schlangenlinien. Vor dem Club fängt er an zu brüllen.
»EY! DU ARSCHLOCH! DU HAST MICH NICHT REINGELASSEN!!!«
Der meint den Würfel. Der ist auch weggeschickt worden. So wie ich!
»EY! ARSCHLOCH! JA, DU! KOMM HER!«
Der Würfel wird nervös, das sieht man. Shaft versucht, ihn zu beruhigen.
»EY! PISSER! KOMM HER! DU TRAUST DICH JA NICHT!«
Der Würfel kocht. Jetzt kommt er rüber. Schupst den Typ vom Rad. Mann, ist der Typ blau. Der Würfel tänzelt ein paar mal um den Typen rum. Der Typ weiß gar nicht, wo er ist. Dann tritt der Würfel zu. Einmal auf die Knie und der Typ bricht zusammen. Dann in den Bauch. Und noch mal und noch mal. Der Typ winselt. Der Würfel tritt noch mal zu und spuckt auf den Typen. Dann geht er zurück zu Shaft. Ich geh dann jetzt mal schlafen.

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Am nächsten Tag habe ich Schnupfen.
»Wie war’s?«, fragt Giles und grinst.
Ich finde London super!

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Dieser Text enstand im Mai 2016 anlässlich der Ausstellung »LO’S HAWARA – Lo Breiers visuelle Freunde seit 1985« im Designxport in Hamburg. Ich lernte Lo 1989 kennen. Er war Art Director von TEMPO und ich Designstudent an der Muthesiusschule in Kiel. Dorthin lud ich Lo gemeinsam mit Walter Schönauer zu einem Vortrag ein. Ein paar Monate später suchte ich einen Job und stellte mich im Büro BreierTietgens vor, das Lo mittlerweile gegründet hatte. Dort, in der Deichstraße, wurde ich zunächst Praktikant und durfte danach bleiben – für mich als Student ein Traum, nicht nur wegen der Zusammenarbeit mit Neville Brody. Ich arbeitete bei Lo bis zu meinem Diplom 1992, ging dann für einige Monate nach Berlin und gründete anschließend mein erstes eigenes Büro.

Ich habe von Lo unendlich viel gelernt und bewundere ihn bis heute. Lo hat mir beigebracht, groß zu denken und gerade zu schneiden. Vor allem aber hat er mir gezeigt, wie man selbst in schwierigsten Situationen die Contenance bewahrt. Dafür bin ich ihm ewig dankbar.

c2016, Johannes Erler